Zitate des renommierten deutschen Hirnforscher Gerald Hüther zum Thema Spielen

 

Warum spielen?

"Spielen ist Dünger für das Gehirn und Kraftfutter für Kinderseelen. Aus der Tierforschung weiss man: Je intelligenter ein Tier ist, desto mehr spielt es. Lernpsychologen nennen es selbstorganisiertes, intrinsisch gesteuertes Lernen. Diese Art des Lernens ist entscheidend dafür, wie gut sich ein Tier oder Menschenkind später in der Welt zurechtfindet. Aus der Gehirnforschung weiss man, dass völlig absichtsloses Spielen für die besten Vernetzungen im Gehirn sorgt."

Was geht dabei im Gehirn vor sich?

"Botenstoffe, die das Spielen freisetzt – Katecholamine, endogene Opiate und andere Peptide –, haben einen wachstumsstimulierenden Effekt auf die neuronalen Vernetzungen. Dadurch bauen sich bestehende Netzwerke weiter aus. Das passiert allerdings nur durch das Spielen, nicht durch Belehrungen und Fördermassnahmen. Damit das riesige Potential an Vernetzungsmöglichkeiten im Gehirn möglichst gut stabilisiert werden kann und die in unseren Kindern angelegten Talente zur Entfaltung kommen, müssen wir ihnen so lange wie möglich die Gelegenheit bieten, spielen zu können."

Die am häufigsten verwendete Unterrichtsform ist zweifellos der Frontalunterricht.  In dieser Form des Lernens konsumieren die Schüler meist nur, was zur Ermüdung der Lernenden führen kann.

Ohne selbst gefordert zu werden, langweilen sich die Schüler schneller. Auch selbstständiges Arbeiten wird im Frontalunterricht kaum gefördert.  Zur mangelnden Motivation des Selbst-Lernens kommt zudem die „Vernachlässigung sozialer Fähigkeiten“.  Und doch sind in professionellen Kursen und auch an Schulen wenig Variationen oder Abweichungen dieser Unterrichtsform zu finden.

Sicher: Der Frontalunterricht hat seine Berechtigung, denn mit ihm lassen sich einfache Unterrichtsinhalte schnell und effizient vermitteln. In den letzten Jahren ist daneben ein zunehmendes Interesse am Gruppenunterricht zu verzeichnen. Als eine Form des individuellen Unterrichts ermöglicht der Gruppenunterricht ein gezielteres Eingehen auf den einzelnen Schüler und ihre Interessen, als dies im Frontalunterricht praktizierbar ist.

Ganzheitliches Lernen

Training Games, oder auch Interaktive Trainingsmethoden genannt, lassen sich in einen Frontalunterricht sehr einfach einbauen, weil sie kleine, interessante Einheiten sind, die Spass machen und alle Teilnehmer in das Thema des Unterrichts hineinnehmen. Sie sind das Mittel der Wahl, um den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten. Denn ein guter Pädagoge löst etwas aus, langweilt nicht und lebt vor, was er Lernenden abverlangt. Training Games helfen dabei, ein guter Pädagoge zu sein. Ob Pädagoge, Trainerin oder Moderator: Wir alle wollen etwas bewirken. Um etwas nachhaltig zu bewirken, ist das Zusammenspiel von kognitiv-intellektuellen mit körperlich erlebten und affektiv- emotionalen Aspekten elementar. Es geht um ganzheitliches Lernen, das sich an individuellen Lernprozessen orientiert. Im Grunde genommen geht es um nichts anderes als um "Lernen mit Kopf, Herz und Hand", ein Konzept, das der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (I 746-1827) postulierte. Training Games wirken, weil sie handlungs- und zielorientiert sind und Kopf, Herz und Hand involvieren. Wir brauchen den Kopf beim Lernen. "Eine Aktivität dient einzig dem Zweck, Anlass für eine Nachbesprechung zu geben. Gelernt wird nicht während der Aktivität, sondern bei deren Nachbesprechung in der Reflexionsphase", sagt Thiagi, dem Erfinder der Training Games. Aus diesem Grunde sind alle Aktivitäten, handlungs- und zielorientiert und dienen als Basis für eine Nachbesprechung. Wir brauchen auch Herz und Hand beim Lernen. Verstehen alleine genügt nicht. Wir müssen zuerst etwas erleben, um es dann zu leben. Spaß haben ist erwünscht, denn wenn die Sinne auf der Gefühlsebene angesprochen werden, erinnern wir uns länger. Kopf und Herz spielen in die Hand, die Hand ins Herz und in den Kopf.

Handlungsorientiertes Training löst Lernprozesse aus, bei denen Erfahren, Entdecken, Erforschen, Sich-Austauschen und Reflektieren im Vordergrund stehen. Ein Rezept dazu bieten die interaktiven Trainingsmethoden von Thiagi[1], bei denen es um Kopf- und Handarbeit geht unter der Beteiligung der Gefühlsebene.

Sehen wir uns die Wirkungsweise von solchen Spielen an zwei konkreten Beispielen an.  

 
Das Spiel "35" - Bewegung und Bewertung

 

Es kann eingesetzt werden um eine Definition, eine gute Lösung zu finden, oder schlicht den Austausch über ein Thema zu fördern. Dazu werden den Lernenden eine Moderationskarte abgegeben. Der Pädagoge stellt nun eine offene Frage, wie z.B. „Schreiben Sie ihre Definition von Wissen auf diese Karte“. Nachdem alle ihre Definition geschrieben haben, laufen die Lernenden im Raum herum und tauschen mit jeder Person, die sie treffen die Karte. Somit ist die eigene Karte irgendwo. Auf ein Zeichen halten die Teilnehmer an und gruppieren sich zu Zweit. Die beiden Antworten werden verglichen und es können total 7 Punkte (also 0-7 oder 4-3, etc.) verteilt werden, je nach Nützlichkeit der Antwort. Diese Punkte werden auf der jeweiligen Rückseite der Karte notiert. Das Herumgehen, Karten austauschen und Bewerten wird dann noch 4-mal wiederholt.  Nach der fünften Runde addieren die Teilnehmer die Punkte auf der Karte, die sie gerade haben.  Der Leiter kündigt nun an, dass er von 35 hinunterzählt (die maximale Punktzahl) und wenn ein Teilnehmer die entsprechende Punktzahl hat, soll er die Karte vorlesen. Meistens werden die Top 3 bis 5 Antworten vorgelesen und können dann im Unterricht eingebaut werden. So können nun in diesem Fall die Definition „Was ist Wissen“ der Lernenden mit der Definition des Lehrenden verglichen werden.

Während dieser Aktivität beschäftigen sich die Teilnehmer intensiv mit der gestellten Frage, denn beim Bewerten werden die Antworten intensiv verglichen. Nebst der körperlichen Bewegung findet auch eine kleine Gruppenarbeit zwischen 2 Personen statt. Man lernt sich besser kennen und fällt gemeinsam eine Entscheidung. Am Schluss sehen sie auch, dass ihr Beitrag verwendet wird.

Das Spiel "Unterrichtsquiz" - Wettbewerbsmoment einbauen

Dieses Spiel kann als Repetitionsspiel nach einer grösseren Theoriephase eingesetzt werden. Die Lernenden werden in 2 Gruppen aufgeteilt und bekommen die Aufgabe zwei geschlossene und eine offene Frage für die andere Gruppe auszuarbeiten. Die Grundlage bildet der gerade behandelte Stoff. Nachdem die Fragen definiert wurden, fängt die erste Gruppe mit den beiden geschlossenen Fragen an. Pro richtige Antwort erhält die Gegenpartei 1 Punkt. Nun stellt die zweite Gruppe ihre geschlossenen Fragen und ihre offene Frage. Die Antwort auf die offene Frage kann nicht im Unterrichtsmaterial nachgesehen werden und wir daher von der Fragenden Partei mit bis zu 3 Punkten bewertet. Nun stellt noch die erste Gruppe ihre geschlossene Frage, bewertet die Antwort und damit liegt – vielleicht – ein Gewinner fest.

Das Ziel dieser Aktivität besteht nicht darin, dass ein Gewinner feststeht, sondern in der interaktiven Repetitionsform die abläuft. Um geschlossene Fragen stellen zu können, muss der Stoff gesichtet werden. Für die offene Frage findet aufbauend auf dem Thema eine Weiterentwicklung statt. Wer hat schon die Gelegenheit mit Spass eine Repetition eines Themas zu machen? Hier passiert es einfach.

Brücke zum Gelernten

Bei beiden Beispielen ist es wichtig, dass man sich Zeit nimmt den Ablauf und das Ergebnis zu reflektieren, also eine geeignete Form der Nachbesprechung wählt. Diese Nachbesprechung verankert das Gelernte in den Teilnehmern, während das Spiel an sich die Brücke zum Gelernten bildet.

Schon diese beiden einfachen Beispiele zeigen die Leichtigkeit auf, mit dem im Unterricht, bei Meetings und Workshops zum einen alle Teilnehmer involviert werden und so aktiviert werden, dass sie spielerisch ihre Meinung und Beiträge einbringen.  Die Erfahrungen haben gezeigt, dass solche Training Games durchwegs nur positive Auswirkungen haben. Klar geht man als Leiter oder Pädagoge ein gewisses Risiko ein, denn nicht  alle Teile solcher Spiele sind kontrollierbar.  Aber der positive und kreative Effekt der im Unterricht oder Meeting entsteht ist durch nichts zu ersetzen.

[1] Siehe http://www.thiagi.com/  unter RESOURCE sind viele Training Games zu finden.

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